Heutonne mit Restriktionsgitter

Was sind die theoretischen Grundlagen der langsamen Heufütterung?

Um diese Frage zu beantworten macht es Sinn, einerseits die Futteraufnahme der Pferde in freier Wildbahn genauer zu betrachten und andererseits das Verdauungssystem des Pferdes unter die Lupe zu nehmen.

Pferde in freier Wildbahn sind die meiste Zeit des Tages damit beschäftigt, Futter zu suchen und zu fressen. Sie schlafen etwa vier Stunden pro Tag; selten länger als zwanzig Minuten am Stück. Während der restlichen Zeit, für etwa 16 bis 20 Stunden, ist die Futtersuche ihre Hauptbeschäftigung. Während dieser Zeit ziehen sie durch ihren Lebensraum und suchen sich ihr Futter zusammen, das heißt, sie fressen in ihrer wachen Zeit kontinuierlich kleine Portionen.

Dieses Fressverhalten passt wunderbar zu ihrem Verdauungssystem oder anders herum gesagt, bedingt das Verdauungssystem des Pferdes dieses Fressverhalten. Das Pferd als Fluchttier hat einen vergleichsweise kleinen Magen, damit es jederzeit in der Lage ist, sich bei Gefahr in Sicherheit zu bringen. Schon nach etwa zwölf Minuten hat der Magen den Futterbrei an den Dünndarm weitergeleitet, wo die Nahrung anderthalb Stunden verbleibt. So sind also bereits anderthalb Stunden nach einer Futtergabe Magen und Dünndarm des Pferdes wieder leer.

An dieser Stelle kommt ein weiterer, wichtiger Aspekt zum Tragen. Beim Pferd werden die Verdauungssäfte von Drüsen in der Magenschleimhaut kontinuierlich abgesondert. Daraus ergibt sich für ein Pferd, das nur zwei- oder dreimal, seltener auch viermal am Tag auf herkömmliche Weise gefüttert wird, ein großes Problem. Das saure Magensekret sammelt sich im leeren Magen. Der untere Bereich des Magens ist zwar mit einer säureresistenten Schleimhaut ausgekleidet, nicht aber der obere Magenbereich. Steigt der Säurespiegel, so wird die ungschützte obere Magenschleimhaut von den eigenen Verdauungssäften angegriffen und Magengeschwüre sind oft die Folge.

 

Pferd frisst aus der Heutonne mit Restriktionsgitter   Pferd wirft die Heutonne um und stellt sie wieder auf.

P.R.E.-Hengst Jubiloso frisst aus seiner Heutonne. Er wirft sie dabei um und stellt sie wieder auf.

 

Häufig knabbern Pferde an Holz, nehmen Späne oder Kot auf, koppen oder versuchen irgendwie anders, das brennende Gefühl im Magen zu lindern. Wenn endlich das nächste Futter kommt, fressen sie heißhungrig zuviel auf einmal und kauen nicht sorgfältig genug. Das Futter wird zu wenig eingespeichelt. Das kann Schlundverstopfung zur Folge haben. Zu wenig Speichel im Nahrungsbrei ist außerdem ungünstig, weil der saure Magensaft nicht ausreichend durch das im Speichel enthaltene Bicarbonat abgepuffert wird. Die Verweildauer der schlecht zerkleinerten Nahrung im Magen verlängert sich, der PH-Wert ist erhöht, die Magenschleimhaut leidet - ein Teufelskreis beginnt.

Bei einer Studie aus England zeigte sich, dass die meisten der untersuchten holznagenden Pferde entzündliche Magengeschwüre hatten. (1) Die Ergebnisse einer weiteren Studie führen zu dem Schluss, dass es an der Zeit ist, humanere, besser gesagt equinere Methoden zu entwickeln, um Holznagen und Koppen zu verhindern, indem man die Funktion des equinen Verdauungssystems berücksichtigt. (2) Es ist an der Zeit zu erkennen, dass es für Pferde von großem Vorteil ist, wenn sie nicht länger gezwungen sind, unfreiwillig zu hungern.

Das Wissen um die Funktion des Verdauungssystems der Pferde und deren natürliches Fressverhalten macht deutlich, wie problematisch die herkömmliche Fütterungsmethode für ein Pferd ist.

Erschwerend kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu: Die Rezeptoren für das Sättigungsgefühl befinden sich beim Pferd in der Kaumuskulatur und nicht im Magen, wie beim Menschen. Das bedeutet, ein Pferd ist dann satt und zufrieden, wenn seine Kaumuskeln ein bestimmtes Maß an Arbeit geleistet haben und nicht, wenn sein Magen eine bestimmte Dehnung erreicht hat. Ein Pferd, das hungrig ist und seine Portion Heu wenig kauend innerhalb kurzer Zeit in sich hineinschlingt, hat, was die Kalorienaufnahme betrifft, genug gefressen. Seine Kaumuskeln haben jedoch noch nicht genug gearbeitet und deshalb fühlt sich das Pferd hungrig, ist gestresst und unzufrieden. Wenn es die Gelegenheit bekommt, mehr zu fressen, wird es das tun und im Laufe der Zeit neben den möglicherweise bereits vorhandenen gesundheitlichen Problemen zusätzlich ein Gewichtsproblem bekommen.

Fazit: Kontinuierlich langsam Heu zu fressen, ist für ein domestiziertes Pferd die natürlichste und gesündeste Futteraufnahme. Die Heutonne kann dazu einen wesentlichen Beitrag leisten.


(1)
C.J.NICOL, H.P.D. DAVIDSON, P.A: HARRIS, A.J. WATERS, and A:D: WILSON: “Study of crib-biting and gastric inflammation and ulceration in young horses”,Veterinary Record, Volume 151, Issue 22, Seite 658-662, November 2002

(2)
R. MALAMED, J. BERGER; M.J: BAIN; P. KASS und S:J: SPIER:“Retrospective evaluation of cribbing and Windsucking behaviours and owner-perceived behavioural traits as risk factors for colic in horses”, Equine Veterinary Journal, Volume 42, Issue 8, Seite 686-692, November 2010